Leben und Sterben – Brück und Jäger

Text mit Zitaten von Michael v.Brück und Willigis Jäger

Die Angst vor dem Tod überwinden – Gibt es eine Wiedergeburt?

Was würde sich in unserem Leben verändern, wenn wir eine neue Einstellung zum Tod und zum Sterben finden würden? Hätten wir dann generell weniger Ängste? Könnten wir dann lebendiger, mehr in der Gegenwart da sein und unser Leben mehr wertschätzen und genießen können?
Eine weitere Frage ist, können wir uns im Leben auf diesen Zustand des Sterbens, diesen Prozess, der dann stattfindet, vorbereiten?
Zur Beantwortung dieser Fragen Auszüge bzw. Zitate von Willigis Jäger* und Michael von Brück** aus Vortrag bzw. Interview.

Zunächst Zitate von Willigis Jäger aus seinem Vortrag „Heil sein“. Er macht hier u.a. deutlich, dass sich eine neue Einstellung zum Sterben auch auf unsere Gesundheit auswirken würde. Was Sterben und Tod wirklich bedeuten und wie wir eine neue Einstellung dazu finden können, erläutert er wie folgt:

„Ich hatte eine Nah-Todeserfahrung, wo ich dieses Gegenüber erfahren habe als absolute Liebe, wo mir niemand meine Fehler, meine Sünden vorgehalten hat, sondern wo ich aufgehoben war in einer Liebe, in ein absolutes Angenommen sein. Was viele erzählen, die eine solche Erfahrung gemacht haben, ist, dass man mitgehen möchte, man möchte hinübergehen. Es wird einem dann immer beschieden „Nein, wollen kannst du nicht. Du musst warten, bis du gerufen wirst. Und das möchte ich wirklich allen ans Herz legen: Dass unser Sterben etwas ganz anderes ist, als wir bis jetzt gemeint haben. Und das wir in eine neue Seinsweise hineingehen. Das ist für mich die Botschaft der Auferstehung. Dass wir aus dem Sterben etwas anderes machen.

Unser Ich wird immer Angst haben. Aber wir haben noch nicht die richtige Einstellung zum Sterben und Tod gefunden…. Wir haben eine falsche Einstellung zum Sterben, weil wir gedrillt worden sind, dass am Ende ein Richter auf uns wartet, der uns unsere Sünden vorhält und der uns ins Fegfeuer oder in die Hölle oder in eine schlechte Wiedergeburt schickt. Das sind kindliche Vorstellungen von einer letzten Wirklichkeit, von einem Gott oder Gottheit, wie ich sie zu begreifen versuche. Dass wir in eine neue Existenz gehen, in eine Existenz, die wahrscheinlich viel umfassender ist. Ob diese Existenz noch personal ist, wie wir sie jetzt haben, spielt überhaupt keine Rolle. Warum sollte es nicht Existenzmöglichkeiten geben, die viel weiter, viel umfassender, ganz anders sind als unsere personale Existenz?

Das ist mir ein großes Anliegen, dass wir als Christen endlich einmal dieses infantile Gottesbild von einem Gott, der da draußen sitzt und darauf wartet, aus dem Notizbuch uns alles vorzulesen, was wir alles falsch gemacht. Das ist ein infantiles Gottesbild. Diese hintergründige Wirklichkeit legt ganz andere Verhaltensweisen oder Maßstäbe an. Ich würde sagen, ob wir genug geliebt haben, ob wir wirklich Mensch geworden sind.

Und dann komme ich zurück auf die Frage „Warum bin ich jetzt da? In diesem unglaublichen, zeitlosen Universum. Was sollen denn meine paar Jahrzehnte hier? Es gibt für mich nur eine einzige Antwort: Um ganz Mensch zu sein. Gott möchte in mir jetzt Mensch sein. Gott möchte in mir jetzt genau diese Form haben. Und darum sage ich ‚ja‘ zu meinem Leben. Ich tanze den Tanz in meinem Leben leidenschaftlich mit. Aber ich weiß auch, wenn der Tanz zu Ende geht, kommt ein neuer Abschnitt meines Daseins…. Und ich kann mir vorstellen, dass wir einmal als Menschen unseren Tod feiern, wie wir unsere Geburt feiern. Weil wir wissen, es geht in eine ganz neue Existenz hinein.

Ich glaube, dass eine solche andere Einstellung zum Sterben auch einen ganz entscheidenden Einfluss hat auf unsere Gesundheit. Dass ich ganz anders mein Leben lebe mit dieser Zukunftsversion als wenn ich Angst habe vor dem Sterben, irgendwelchem Martyrium entgegen gehe, wie mir vielleicht eine Religion gesagt hat. Eine positive Einstellung, d.h. ein ganz anderes Menschenbild brauchen wir.

Das alte Paradigma lautete ‚Wir sind menschliche Wesen, die eine spirituelle Erfahrung machen‘. Das neue Paradigma lautet:’Wir sind spirituelle Wesen, die diese menschliche Erfahrung machen.‘ Ein solches Menschenbild, ein solches Selbstverständnis gibt uns eine ganz andere Einstellung zu unserem Leben und zu einer Krankheit. Dann wissen wir, dass Krankheit ein Wink ist, der fragt ‚Überlege einmal, was in deinem Leben nicht stimmt‘. Vielleicht musst du einiges ändern. Vielleicht musst du auf einiges verzichten, was du bis jetzt getan hast. Gott ist für mich nicht ein kultisches Objekt, das ich verehre. Gott will gelebt werden. Hier und jetzt. Wenn ich mich so verstehe, dann werde ich auch anders leben. Wenn das meine innerste Überzeugung ist, dann werde ich mich anders verhalten gegenüber meinen Mitmenschen und überhaupt in der Welt.

Nehmen wir an, es gibt wirklich eine Wiedergeburt? Was kann denn wiedergeboren werden? Wiedergeboren wird immer nur diese göttliche Urenergie, die sich in einer neuen Form ausdrückt. Daher habe ich überhaupt keine Angst. …Meine Aufgabe ist nur, zu lernen, zu begreifen, wer ich eigentlich bin. Alle Religionen bieten den Menschen Hoffnungsbilder an, eine bessere Wiedergeburt, Nirwana, einmal in den Himmel kommen, einmal werden alle Bösen bestraft, die Guten belohnt. Das ist ein Modell, das unser Verstand macht. Das ist nicht die Wirklichkeit……Wiedergeboren wird immer nur dieser göttliche Hintergrund.“

Ende der Zitate von Willigis Jäger

Die folgenden Zitate stammen aus dem bereits erwähnten Interview mit Michael von Brück, dass in Bezug auf sein Buch „Ewiges Leben oder Wiedergeburt“ geführt wurde:

„Die Grundfrage des Menschen nach dem Tod und was nach dem Tod sein könnte, ist die Frage von Kontinuität angesichts der sichtbaren Diskontinuität. Mit dem Tod ist erst mal alles aus, was wir als Lebensäußerung kennen. Der Körper wird starr und verfällt, die seelischen Vorgänge sind jedenfalls von außen nicht mehr sichtbar…Also ein höchstmögliches Maß an Diskontinuität, an Ende. Und gleichzeitig auch die Vorstellung einer Kontinuität. Da gibt es Energien, nennen wir sie Seele, nennen wir sie Bewusstseinsenergien, die irgendwie weiter leben. Das ist allen Religionen gemeinsam. Der Buddhismus sagt, diese Kontinuität entsteht dadurch, dass es einen Bewusstseinsstrom gibt, der sich ständig selbst erzeugt. Dies ist aber nicht ein mit sich selbst identifiziertes Ich, was immer weiter geht, sozusagen von einem Körper zum nächsten hupft. Sondern es ist ein Strom von Energie, wie Licht zum Beispiel, Klang wäre ein solcher Strom, der weitergeht und sich in neuen Körpern entfaltet….. Es ist so, wenn man eine Flamme an einer anderen entzündet. Die neue Flamme ist einerseits verschieden von der alten, andererseits aber auch die gleiche, denn sie hat den gleichen Energieimpuls. So kann man die etwas sehr komplexe Frage zusammenfassen.

Der Zustand beim Sterben soll auf das Ziel gerichtet sein und nicht auf das, wo man herkommt. Im Christentum und Hinduismus ist das Gott. Im Buddhismus ist es die völlig befreite Bewusstheit. Das ist deshalb so wichtig, weil die Vorstellung besteht, dass im Tod, beim Sterben die geistige Energie so weit von der materiellen Energie sich entkoppelt, das sie eine Freiheit hat, die sie sonst nie hat. Mit anderen Worten, das Sterben oder der Tod die beste Gelegenheit zur Meditation ist, die beste Gelegenheit zur Praxis, weil das Bewusstsein nie so frei ist. Wenn es also auf Gott gerichtet ist, dann formt es sich selbst in einer Weise, die dann den Bewusstseinstrom in positiver Weise beeinflusst, der dann wiedergeboren wird. Während wenn man voller Angst ist beim Sterben und negativ orientiert ist, sich vielleicht auf den Abschiedsschmerz konzentriert, dann wird das Bewusstsein gefesselt, gebunden und kann sich nicht lösen. Deshalb ist im Sterbeprozess die Praxis des völligen Losgelöstseins, sich ganz auf Gott zu richten, also den Namen Gott zu rezitieren oder das Bewusstsein auf das Licht zu lenken, was einem im Tode nach tibetischen Vorstellungen begegnet, außerordentlich wichtig. Aber das kann man im Sterben nur, wenn man das im Leben lange geübt hat.“

*Willigis Jäger Benediktiner, gilt als einer der bedeutendsten spirituellen Lehr unser Zeit. Er ist Gründer des Benediktushofs

**Michael von Brück ist Professor für Religionswissenschaften in München, Yoga und Zen-Lehrer. Er gibt regelmäßig Zen-Sesshins in der Neumühle, Tondorf.

Quellen:

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