Über Liebe und Freiheit – von Hüther und Hosang

 

Mit dieser Anlage werden zwei Bücher in einem Buch vorgestellt: Von Gerald Hüther „Die Freiheit ist ein Kind der Liebe“ und von Maik Hosang „Die Liebe ist ein Kind der Freiheit“. Die beiden Bücher begegnen sich zum Teil von Seite zu Seite. Man muss das Buch wenden, um das andere Buch lesen zu können.

Gerald Hüther

ist Neurobiologe, Professor und Leiter der Zentralstelle für Neurobiologische Präventivforschung de Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen sowie Präsident der Sinn-Stiftung.

Maik Hosang

ist praktischer Philosoph, habilitierter Sozialökologe sowie Mitbegründer des Modellprojekts LebensGutPommritz, wo er auch lebt.

Einleitung

Ist emotionale Unabhängigkeit möglich? Macht Liebe uns unfrei, abhängig? Oder ist Liebe nur aus einer tiefen inneren Freiheit ohne Bedürftigkeit möglich?

Die beiden Autoren beantworten sie aus verschiedenen Blickwinkeln in ihrem Buch.

Gerald Hüther
Die Freiheit ist ein Kind der Liebe
Eine Naturgeschichte unserer menschlichen Sehnsüchte.

Auszüge aus dem Buch

„Liebe ist kein Gefühl. Liebe ist eine innere Einstellung, zu der manche Menschen über den Zustand von Verliebtheit finden. Das gelingt freilich nicht allen, denn es setzt voraus, dass der oder die Andere irgendwann nicht länger zur Überwindung der eigenen Bedürftigkeit benutzt werden. Lieben kann deshalb nur jemand, der mit beiden Beinen im Leben steht, der nicht mehr an seinem ungestillten Bedürfnis nach Verbundenheit einerseits und nach autonomer freier Lebensgestaltung andererseits leidet. Ein Liebender kann deshalb nur werden, wer in seinem Leben Gelegenheit hatte zu erfahren, dass er so wie er ist, gemocht wird, dass er dazugehört und gleichzeitig autonom und frei sein darf. Um ein Liebender zu werden, muss man also zumindest als Kind selbst geliebt worden sein.“

„Jedes Kind, das geboren wird, bringt die Erfahrung der Liebe bereits mit auf die Welt.“

„Das Neugeborene sucht sofort nach Nähe und Geborgenheit, um sein Bedürfnis nach Verbundenheit zu stillen. Deshalb tut das Baby auch alles, was es kann, damit die Liebe gelingt.“

„Das tiefe Bedürfnis, dazugehören zu wollen, bringen alle Kinder mit auf die Welt. Sie waren ja bis dahin aufs Engste verbunden….Deshalb wollen Kinder alles lernen, was sie brauchen, um auch weiterhin verbunden zu sein und um selbst weiter wachsen und eigene Fähigkeiten erwerben zu können. Weil dieses Bedürfnis so tief in ihrem Gehirn verankert ist, entwickeln sie einen so starken Willen, sich Schritt für Schritt all das anzueignen, was dazu beiträgt, dieses Bedürfnis zu stillen.“

„Alle Kinder sind, solange ihnen das gelingt, davon überzeugt, dass es möglich ist, gleichzeitig verbunden zu sein und mit jeder neuen Entdeckung, mit jeder selbstgemachten Erfahrung auch gleichzeitig ein Stückweit über sich hinauszuwachsen und dabei immer autonomer und schließlich auch immer freier zu werden.“

„Je häufiger ein Mensch, zunächst als Kind, später als Erwachsener Erfahrungen in seinem Leben macht und in seinem Frontalhirn verankern konnte, dass es möglich ist, gleichzeitig verbunden zu sein und frei, desto stärker erwächst aus dieser Erfahrung eine innere Einstellung, eine Haltung, eben die eines Menschen, der sich selbst, das Leben selbst und alles, was das Leben hervorgebracht hat, liebt. – Die Liebe ist also kein Kind der Freiheit und die Freiheit ist kein Kind der Liebe, sondern die Liebe entsteht erst aus einer Erfahrung, dass ein Leben in Verbundenheit und Freiheit möglich ist.“

„Die Fähigkeit zu lieben ist die Lösung, die die Evolution des Lebendigen gefunden hat, um lebendige Wesen aus dem Dilemma zu befreien, in dem alle Lebensformen gefangen sind: Gleichzeitig mit allen anderen verbunden zu bleiben, obwohl die Welt, in die jede Lebensform hineinwächst, sich ständig verändert und jedes Lebewesen dazu gezwungen wird, eigene Antworten auf diese Veränderungen zu finden, sich also ständig weiterzuentwickeln.“

„Die Liebe ist also das Ergebnis eines evolutionären Prozesses. Er hat uns selbst als zur Liebe fähige Menschen hervorgebracht. Wir sind die einzigen Lebewesen, die in der Lage sind, diesen Prozess zu erkennen. Und was wir erkannt haben, können wir auch bewusst gestalten.“

Maik Hosang
Die Liebe ist ein Kind der Freiheit
Eine Geistesgeschichte unserer menschlichen Sehnsüchte.

Auszüge aus dem Buch

„Liebe erfahren Menschen in Beziehungen, in denen sie darin unterstützt werden, sich frei zu entfalten, und sie leben Liebe, wo sie ihrerseits den Menschen, mit denen sie in Beziehung stehen, freie Entfaltung ermöglichen.“

„Liebe ist weniger ein romantisches Gefühl als ein Spielraum unendlicher Möglichkeiten, die jeden Moment zur Wirklichkeit werden können.“

„Wirkliche persönliche Freiheit führt nicht zu verstärktem Egoismus, sondern zum Gefühl und der Verbundenheit mit vielem, letztlich mit allem.“

„Liebe ist in ihrer eigenen Qualität dort und nur dort vorhanden, wo Menschen aus freier innerer Entscheidung das Da-Sein und So-Sein eines anderen oder anderer innerlich und äußerlich bejahen und unterstützen.“

„Wirkliche Verbundenheit, in der Freiheit, Integrität und Individualität der Beteiligten nicht nur bewahrt, sondern verstärkt wird, entsteht nur in der Liebe. Sie ist nach Fromm (Anm.: auf dessen Buch ‚Die Kunst des Liebens‘ er sich hier bezieht) die einzige befriedigende Antwort auf die Frage nach menschlicher Existenz. Zu ihr gehören die Achtung des eigenen Ich und die Achtung der Individualität des Anderen. Weil Liebe mehr ist als nur ein Gefühl, weil sich auch Bewusstheit und Aktivität erfordert, spricht Fromm von der Haltung der Liebe.

Gerald Hüther und Maik Hosang

Diesen Text findet man bei beiden:

„Transformation ist nicht schwer. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Menschen immer deutlicher spüren, dass ihr Bedürfnis nach Verbundenheit und nach Autonomie und Freiheit andererseits nicht dadurch gestillt werden kann, dass entweder mehr oder weniger getan wird, um ihr Gefühl von Verbundenheit zu stärken oder dass versucht wird, ihre Möglichkeiten zu einer freien selbstbestimmten Lebensführung zu verbessern.

Sie brauchen beides: Verbundenheit und Freiheit. Und wenn sich beide Bedürfnisse nicht gleichzeitig stillen lassen, erleben sie sich als gefangen in einem Dilemma. Das ist nicht lebensbedrohlich, das löst noch nicht einmal eine Angstreaktion aus. Damit kann man sogar weitermachen wie bisher. Aber es macht eben keine Freude, es ist nicht erfüllend. Je stärker man sich mit anderen verbunden fühlt, desto mehr fühlt man sich in seiner Freiheit eingeschränkt. Und je freier und unabhängiger man sein Leben gestaltet, desto mehr verliert man die Verbundenheit mit anderen. Beides ist schmerzhaft… Lösen lässt es sich eben nicht durch noch mehr Verbundenheit oder noch mehr Freiheit, sondern nur durch den Aufbau einer Beziehung zu anderen Menschen, in der man sich gleichermaßen verbunden wie auch frei fühlt.

Dazu ist eine Transformation der bisher herrschenden Beziehungskultur nötig. Die einzige Beziehungsform, in der beides, Verbundenheit und Freiheit, gleichzeitig erlebbar wird, ist die Liebe.“

„Um ein Liebender oder eine Liebende werden zu können, bedarf es einer eigenen Transformation. So schwer ist diese Transformation nicht, denn wir sind ja bereits mit der Erfahrung auf die Welt gekommen, dass es möglich ist, gleichzeitig aufs Engste mit einem anderen Menschen verbunden und doch jeden Tag ein Stück über sich hinausgewachsen zu sein. Wir müssten also eigentlich nur etwas wiederfinden, was wir im Taumel der ständigen Bewältigung von Problemen und Krisen verloren haben.“

„Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass immer mehr Menschen, vor allem junge Menschen, nach einem Weg in der Gesellschaft suchen, in der sie sich gleichzeitig verbunden und frei fühlen können.“


Quelle der Zitate:

Gerald Hüther: Die Freiheit ist ein Kind der Liebe / Maik Hosang: Die Liebe ist ein Kind der Freiheit
Kreuz – Verlag – ISBN 978-3-451-61144-5

Websites zu den Autoren:

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